Die Leinenbettwäsche von Oma oder das Blumengemälde, die kleine kobaltblaue Vase? Was soll ich nur für meinen Blogartikel auswählen und warum?
Meine eigene Blogparade stellt mich vor eine ziemliche Herausforderung: Ich soll mich entscheiden. Etwas, das mir nicht immer leicht fällt.
Doch schließlich fällt meine Wahl auf Uromas Nähtisch. Und so ist dieser Artikel mein eigener Beitrag zur Blogparade: Wohnschätze gesucht – Was macht dein Lieblingsstück so besonders?
Ich weiß natürlich, dass es für viele von uns nicht DAS EINE Lieblingsstück in der Einrichtung gibt. Gerade deshalb ist die Geschichte dazu ja auch so interessant! Jeder einzelne Wohnschatz spricht eine eigene Seite in uns an.
Hier erzähle ich dir die Geschichte zu meinem Lieblingsstück: Uromas Nähtisch.
Mach doch auch bei der Blogparade mit und erzähle von deinem Wohnschatz!

Die Geschichte zu meinem Wohnschatz – Uromas Nähtisch
Der Nähtisch ist schon alt, genauer gesagt uralt, denn er gehörte meiner Urgroßmutter. Sie heiratete 1902 und so wird auch der Nähtisch ungefähr aus dieser Zeit stammen. So genau kann das niemand mehr sagen.

Und weil er so alt ist, hat er natürlich seine ganz eigene Geschichte, die aber sehr eng mit meiner Familie verknüpft ist. Und das macht ihn auch zu meinem Wohnschatz.
So lange ich denken kann, steht der Nähtisch im Schlafzimmer von Omas und Opas Sommerhäuschen. Er dient meiner Oma als Nachttisch und beherbergt allerlei spannende Dinge. Zumindest für ein kleines, neugieriges Mädchen. Darauf ein buntes Deckchen, denn die Oberseite ist schon ziemlich ramponiert. (Erst sehr viel später erfahre ich, dass er die Blessuren einer Brandbombe im Zweiten Weltkrieg verdankt.)
Ich wische oft den verschnörkelten Fuß des Nähtisches mit einem weichen Staublappen blank und bitte meine Oma noch einmal zu erzählen. Aus der Zeit, als sie ein kleines Mädchen war, es in Deutschland noch einen Kaiser gab, der im Schloss in Berlin wohnte, Frauen lange Kleider trugen und Pferdekutschen zum normalen Straßenbild gehörten.

Meistens erfüllt mir Oma den Wunsch, während ich mit Staubwischen beschäftigt bin und sie im Nebenzimmer auf dem Sofa sitzt. „Weißt du“, begann sie oft, „wir hatten damals ja nicht viel. Ich teilte mir mit meinen Schwestern ein Zimmer und hatte nur einen Kasten, in dem meine Puppenlappen waren und eine Porzellanpuppe zum Spielen. Deine Uroma gab mir manchmal einen Stoffrest aus ihrem Nähtisch, der übrig geblieben war, wenn sie wieder für reiche Leute nähte. Das war Uromas Beruf – sie nähte in Heimarbeit für wohlhabende Menschen, änderte, reparierte und trug so zum Familieneinkommen bei, während Uropa in der Glasfabrik als Glasbläser arbeitete.“
Und so geht es stundenlang weiter. Oma hatte Talent zum Erzählen, das muss man ihr lassen. Sie erzählt so bildhaft und anschaulich, dass vor meinem inneren Auge die passenden Bilder spielend leicht entstehen und sich bis heute festgesetzt haben. Es gibt Geschichten über ihre Eltern, also meine Urgroßeltern, über durchgehende Pferde mitten in Berlin, lustige Begebenheiten beim Herrenfriseur, Erzählungen von Ferien in Pommern und Anekdoten mit ihren Geschwistern.
Im Mittelpunkt oft meine Urgroßmutter, eine kleine, zierliche, aber bestimmte Frau, die wusste, was sie wollte und ihren Kindern diese anpackende Art und die positive Einstellung zum Leben mitgegeben hat.
Wie mein Wohnschatz zu mir fand
Als ich älter wurde, veränderte Oma allmählich ihre Geschichten und ließ auch die unschönen Momente nicht aus, die zu jedem Leben einfach dazu gehören.
Ich wuchs mit diesen Erzählungen auf und verbinde viele davon mit Uromas Nähtisch.
Eben auch jene von der Bombennacht, als mein Uropa die ins Zimmer gefallene Brandbombe vom Nähtisch nahm und wieder nach draußen auf die Straße warf, um Schlimmeres zu verhindern.
Damit ist der Nähtisch für mich das Sinnbild einer Familie, die Auswege findet, wenn sich Probleme auftun.
Ich habe mich bewusst in diese Tradition gestellt, und meinen Weg mit DEIN Leinen, der keinesfalls schnurgerade verlaufen ist, so gut es geht, gemeistert. Natürlich ist er in keiner Weise mit dem Lebensweg meiner Urgroßeltern und meiner Großeltern zu vergleichen. Doch es gab und gibt immer mal wieder Höhen und Tiefen.
Der Start zu meiner ersten Kollektion fiel unglücklicherweise mit einem Trauerfall zusammen. Doch ich habe nach kurzer Überlegung den Kopf hochgenommen und weiter gemacht. Anders als geplant, aber gemacht.
Nachdem meine Urgroßeltern beide gestorben waren, übernahm meine Oma den Nähtisch und nach ihrem Tod durfte ich ihm ein Zuhause geben. Kurz überlegte ich, ihn aufarbeiten zu lassen, das verbrannte Furnier auf der oberen Platte war ja schon bei Oma immer unter einem Deckchen verschwunden, entschied mich dann aber doch dagegen. Seine lange Geschichte darf man ihm ansehen.

Wie sich mein Wohnschatz in mein Zuhause einfügt
Uromas Nähtisch steht seitdem mit all seinen Macken und Zeichen in unserem Wohnzimmer neben dem Fenster. Trägt geduldig meine kleinen Dekoarrangements und oft auch Blumensträuße. Übrigens ohne Deckchen, denn man darf ihm seine Vergangenheit ruhig ansehen. Außerdem bin ich nicht der Deckchen-Typ.
In seinem Schubfach findet sich allerlei Kleinkram und ein paar Fotos. Ganz wie bei meiner Oma, als ich noch klein war.
Auch unter der aufklappbaren Tischplatte, in seinen unterteilten Fächern, die eigentlich für Nähnadeln und Garne gedacht sind, findet sich eine bunte Mischung Allerlei.


Und noch immer habe ich beim Staubwischen Omas Stimme und ihre Geschichten im Ohr. „Weißt du, wir hatten damals ja nicht viel. Aber, mit dem, was wir hatten, haben wir es uns schön gemacht.“
Jeden Tag erinnert mich der Nähtisch daran, dass Aufgeben keine Option ist, sondern dass Lösungen gefunden werden müssen.
Ganz gleich, ob das gewünschte Leinen mal wieder ausverkauft ist, ob ich mich mit den bürokratischen Hürden meiner Selbstständigkeit rumschlagen muss oder ob sonst irgendein Problem bewältigt werden will.
Finde eine Lösung und mach daraus etwas Schönes.
Wofür steht mein Wohnschatz?
Uromas Nähtisch ist mir einerseits Verbindung zu meinen Wurzeln und andererseits Hinweis auf eine Lebenseinstellung. Er steht auch für die lange Handarbeitstradition in meiner Familie. Mehr dazu kannst du übrigens auf meiner über-mich-Seite lesen.
Und dieser fühle ich mich verpflichtet.
Aus scheinbar einfachen Materialien, Leinen ist ja kein Hightech-Gewebe, etwas Schönes zu erschaffen.
Mit meiner handwerklichen Fertigung will ich mich bewusst von massenhaft gefertigter Ware absetzen und dir etwas Echtes und Individuelles anbieten. Gern auch in deinen Wunschmaßen.
Meine Portion positive Grundhaltung hat mir schon häufig über schwierige Situationen hinweggeholfen und ich verstehe sie als ein Geschenk. Gerade in herausfordernden Zeiten, wenn so viel in der Welt passiert, das wir uns nicht ausgesucht haben, hilft Fatalismus nicht weiter.
Ich versuche nach vorn zu blicken und positiv zu bleiben – Lösungen zu finden. Ganz nach dem Motto: „Was kann ich tun, damit etwas Schönes dabei herauskommt?“
Daran erinnert mich der Nähtisch jeden Tag. Er hat natürlich weitere Unterstützer wie die kleine kobaltblaue Vase von meiner Mama oder die Leinenbettwäsche meiner Oma und das Blumengemälde.
Übrigens lassen sich all diese Stücke auch in eine moderne Einrichtung integrieren, ohne aus der Zeit gefallen zu wirken. Wir müssen ihnen nur eine Bühne bieten. Und das gelingt am besten bei Wohnschätzen, die uns ans Herz gewachsen sind.
Vielleicht hast du auch so einen Wohnschatz und möchtest davon erzählen? Dann mach doch bei meiner Blogparade mit und teile dein Lieblingsstück mit uns.
2 Kommentare zu „Wohnschätze gesucht: Was Uromas Nähtisch für mich so besonders macht“
Liebe Irina,
was für deine zauberhafte Geschichte! Herzlichen Dank fürs Teilen. Auch die alten Schwarz-Weiß-Fotos rühren mein nostalgisches Herz an 🙂
Ich mag deinen Beitrag sehr, gerade weil er sehr persönliche Erinnerungen in sich trägt und wie du diese in dein eigenes Leben übertragen hast.
Er animiert direkt zum Denken an meinen „Wohnschatz“ – nur welchen würde ich wählen als den liebsten?
Wäre auf alle Fälle auch eines der Erbstücke, die hier bei mir herumstehen oder -hängen.
Viele Grüße zu dir
Gabi
Vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Gabi!
Du hast recht, es ist der wohl persönlichste meiner Artikel bisher.
Übrigens musste ich auch länger überlegen, welchem meiner Schätze ich diese Bühne biete, also lass dich gern zu einem eigenen Artikel anstecken. Ich würde mich freuen.
Grüße zu dir zurück
Irina